Die Lehre am Institut für künstlerische Keramik und Glas
In einer Festschrift des Instituts für künstlerische Keramik aus dem Jahr 1997 zum 10jährigen Bestehen war zu lesen: „Es ist ein rein deutsches Problem, ob nämlich die Keramik ihren Ort bei den übrigen Künsten haben soll, haben dürfe." So der Beginn des Grußwortes von der damaligen Professorin Barbara Stehr und Gründerin des Institutes für Künstlerische Keramik und Glas.
Noch ein Satz aus dieser Schrift sei zitiert: „Was bedeutet dem Künstler der Stoff, aus dem er seine Kunst macht?" Und die Antwort gab eine Studierende in einem Examensgespräch 2007: „ Jedes Kunstwerk holt sich sein eigenes Material". So einfach und schlicht ist die Antwort um das Ringen des Standortes für die Keramik in der Kunst. Und die Idee wird nicht gelehrt, sie wird offenbar von den Studierenden gelebt. Es ist zu beachten, daß der Studierende dabei in der dritten Person spricht. Nicht er entscheidet, sondern die Idee, das Kunstprojekt selbst, welches in der Phantasie des Schaffenden langsam Gestalt annimmt.
Das Institut war 1987 gegründet mit dem Anspruch, künstlerische Keramik zu lehren. Das Institut wollte sich (und will es auch bis heute) bewusst von den typischen Einrichtungen im Westerwald absetzen, die mit der Lehre eher der Tradition der Gefäßkeramik verbunden sind.
Die Gründung des Institutes stützte sich klar auf die Aussage, eine Elite auszubilden, die eine umfassende Ausbildung in der Kunst bekommt mit zunächst einem werkstofflichen Schwerpunkt, der Keramik.
Die Lehre am Institut war von Beginn an so ausgerichtet, daß die Studierenden zunächst lernen, ihre Ideen in vielen unterschiedlichen Materialien auszudrücken. Das Herausarbeiten eigener Vorstellungen, die Entwicklung von Überzeugungskraft und Sprache in Form und Bild sind der Kern der Lehre.
Die Studierenden sollten den Werkstoff als eine Möglichkeit kennenlernen, ihre Vorstellungen in eine Formensprache umzusetzen und als eine Chance begreifen, die sie entweder für ihre Zukunft wahrnehmen oder auch vielleicht mit anderen Materialien in ihren Arbeiten verbinden.
Das Institut war von Beginn an in seinem Ausbildungsprogramm auf die Bildende Kunst ausgerichtet.
Mit dem Aufbau des zweiten Lehrstuhls am Institut, dem Lehrstuhl für Glas im Jahr 2000, wurde das Spektrum der Möglichkeiten in der Ausbildung erweitert.
Mit der Erweiterung der Ausbildungsmöglichkeiten wurde aber auch noch ein weiteres, sehr wichtiges Ziel erreicht.
Mit den beiden Lehrstühlen für Glas und Keramik am Institut war den Studierenden die Möglichkeit eröffnet, die Ausbildung mit dem Grad des Diploms abzuschließen.
Dies hatte für das Institut eine zentrale Bedeutung. Die Lehre am Institut ist seit Beginn international ausgerichtet gewesen. Die Qualität der Ausbildung wird maßgeblich davon getragen, daß regelmäßig Dozenten aus dem Ausland zu einer Gastlehre eingeladen werden. Im Laufe des Studiums sind alle Studierenden gehalten, ein Gastsemester im Ausland zu absolvieren. Umgekehrt gastieren im Zuge des Austauschprogramms mit einer Vielzahl von Universitäten im Ausland Studierende der dortigen Akademien am Institut in Höhr-Grenzhausen.
Das Austauschprogramm für die Studierenden machte es erforderlich, auf eine Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse hinzuarbeiten.
Konsequent wurde daher in den vergangenen Jahren am Institut das Ziel verfolgt, daß dem Ausbildungsniveau entsprechend den Studierenden ein Abschluß angeboten werden kann, der auch international die Anerkennung findet.
Im Zuge der Umstellung vom Diplom auf Bachelor und Master Abschluß hat das Institut für Künstlerische Keramik und Glas im Jahr 2007 die Berechtigung erhalten, neben dem Bachelor of Fine Arts auch den Titel Master of Fine Arts (MFA) zu vergeben.
Mit dieser Entscheidung ist das Institut im internationalen Vergleich auf einem Niveau mit den Universitäten - Hochschulen für Bildende Kunst gleichgestellt.
Mit der Zuteilung des akademischen Grades (BFA, MFA) ist sichergestellt, daß auch in der Zukunft ein breites internationales Interesse an Austauschprogrammen mit dem Institut bestehen wird.
In der jungen Geschichte des Institutes für Künstlerische Keramik und Glas spiegelt sich auch in Teilen die ebenfalls junge Geschichte der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Werkstoff Glas wider.
Das Institut hatte in seiner Ausrichtung von Beginn an über die rein materielle Auseinandersetzung mit dem Werkstoff Keramik den Anspruch der künstlerischen Aussage gesucht und gelehrt.
Erst im Jahr 2000 wurde am Institut auch die künstlerische Lehre für das Material Glas aufgenommen.
Der Zugang zum Glas als Werkstoff und künstlerisches Ausdrucksmittel blieb bis vor wenigen Jahrzehnten nicht nur in Deutschland, sondern ganz allgemein völlig verschlossen.
Bis in die frühen 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war das Glas traditionsbehaftet ausschließlich der reinen handwerklichen Bearbeitung überlassen.
Erklärend muß dazu gesagt werden, daß Glas von der Herstellung und Bearbeitung technisch und wirtschaftlich schon seit jeher eine nicht unbeachtliche Hürde für einen einzelnen Künstler darstellte.
Erst neue Technologien, Baustoffe für die Schmelzeinheiten, kleinere Schmelzeinheiten, neue Konzepte in dem Betreiben eines sogenannten Heißglasstudios haben erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Tür zu einer künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Material geöffnet.
Heißes Glas bedeutet hier die Herstellung einer Schmelze in einem kleinen Ofen. Das flüssige Glas wird mit Werkzeugen entnommen und zur Herstellung der Objekte verarbeitet. Die Besonderheit besteht darin, daß der Ofen nicht für jedes Objekt angeheizt wird, sondern über eine längere Periode auf Temperatur gehalten wird. Kontinuierlich werden Rohstoffe, in der Regel Scherben, nachgefüllt und ebenso kontinuierlich muß auch aus dem Ofen herausgearbeitet werden.
Es ist bekannt, daß wesentliche Anstöße für die Entwicklung der modernen Glaskunst aus den Vereinigten Staaten von Amerika in den frühen 60er Jahren kamen. Prof. Harvey K. Littleton und Mark Peiser waren mit die ersten Künstler der Neuzeit, die sich mit dem Werkstoff Glas auseinandergesetzt haben und sich auch für die Lehre in anerkannter Weise eingesetzt haben. Nach kurzer Zeit fand die Idee auch ihre Interessenten und Anhänger in der übrigen Welt von Europa bis Japan.
Die Ausbildungsmöglichkeiten betreffend waren die Vereinigten Staaten von Beginn an führend und sind es bis heute geblieben.
Es ist das Verdienst einer Reihe von Galerien und Museen in Deutschland, die sich frühzeitig um die Ausstellung der ersten künstlerischen Exponate in Glas bemüht haben.
Eine künstlerische Ausbildung im sogenannten heißen Glas wurde nur an sehr wenigen Akademien in Europa nach dem Vorbild der USA geboten (London, Edinburgh).
Es ist ein Verdienst von Erwin Eisch, dem bekannten deutschen Glaskünstler und Mitbegründer der neuen Glaskunstbewegung, daß er in Niederbayern in Frauenau eine Sommerakademie für Glaskunst in den 80er Jahren gegründet hat. Vergleichbare Einrichtungen gibt es in den USA in Pilchuck und in Pennland.
Eine derartige Einrichtung, die auf privater Initiative aufbaut und als Begegnungsstätte auf den Austausch von Ideen und Umgang mit dem Material ausgerichtet ist, ersetzt nicht die akademische Ausbildung (Universitäten und Kunsthochschulen).
Das Institut für Künstlerische Keramik und Glas bietet in Deutschland als erste Einrichtung die akademische, künstlerische Ausbildung im heißen Glas mit einem eigenen Studioglasofen. Die Lehrinhalte im Glas laufen in weiten Teilen parallel mit den Lehrinhalten in der Keramik.
Ebenso wie in der Keramikklasse des Institutes werden auch regelmäßig in der Glasklasse internationale Gastdozenten eingeladen, die mit den Studierenden über mehrere Wochen zusammenarbeiten.
Bei allen Schwierigkeiten, die die Studierenden mit der Technik der Glasbearbeitung zu bewältigen haben, gilt hier die Ausrichtung der Lehre am Institut im besonderen Maße.
Die zentrale Aufgabe in der Schaffung des Kunstwerks ist die Behandlung des eigenen künstlerischen Konzeptes. Die künstlerische Arbeit benötigt dabei nicht immer neue Technologien oder Materialien.
Die Studierenden werden daran gemessen, wie sie das Material zur Klarstellung ihrer künstlerischen Aussage einsetzen. Allerdings nicht im Sinne der Beliebigkeit. Sondern um den Eigenwert des je verwendeten Materials für die intendierte Aussage dienstbar zu machen. Die Materialssprache ist Teil des Inhalts des Kunstwerks.
Im Ergebnis wird von den Studierenden erwartet, daß sie in ihrer Konzeptfindung eine Form und Aussage erreichen, die eine Bedeutung für die Gegenwart in der Bildenden Kunst hat.
Die Lehre fordert eine intellektuelle Auseinandersetzung nicht mit, sondern unter Verwendung des Materials.
Das deutet auf den Unterschied auch zu den Anfängen der Studioglasbewegung hin. Beiträge mit diesem Anspruch im Glas waren und sind nicht so zahlreich, wie man sich das wünscht.
Und das ist das Anliegen der Lehre im künstlerischen Glas am Institut in Höhr-Grenzhausen. Beiträge zu leisten, Ausbildung zu fördern im Bereich konzeptionelles, künstlerisches Arbeiten mit Glas – natürlich auch mit Keramik und im Verbund mit weiteren Materialien, wenn es die Aussage erfordert.
Die Absolventen des Instituts für Künstlerische Keramik und Glas werden zu Künstlerpersönlichkeiten herangebildet, die sich in der Bildenden Kunst behaupten müssen.
Auf den Wegen zu diesem persönlichen Ziel werden die Studierenden dabei nicht nur von den Professoren für Glas und Keramik, sondern durch eine Reihe von Dozenten unterstützt, die für die Lehre unterer anderem in den Fachgebieten künstlerische Gestaltung, Malerei, Kunstgeschichte, Kunstdidaktik sowie Mixed Media verantwortlich sind.
Die Arbeiten in dieser Ausstellung sind Resultate dieser Anstrengungen. Die Studierenden der Glasklasse zeigen in ihren Arbeiten Ergebnisse, Zwischenergebnisse auf ihrem persönlichen Weg zur Bildenden Kunst. Glasexperimente – Experimente unter Verwendung von Glas, nicht mit Glas.
Kunst braucht Publikum. Umso mehr danken die Studierenden und Absolventen des Instituts für Künstlerische Keramik und Glas Höhr-Grenzhausen der Ernsting Stiftung und auch der Museumsleitung der Veste Coburg, die mit dieser Ausstellung die Möglichkeiten dafür geschaffen haben, daß die Glasexperimente ihr Publikum finden.
Prof. Ingrid Conrad-Lindig